Die Heilsarmee in Zürich

Beginn in einer Hundedressuranstalt

Die Leitung der schweizerischen Heilsarmee beschloss im Mai 1885, die Arbeit in der Stadt Zürich aufzunehmen. Einige Heilsarmee-Offiziere reisten inkognito nach Zürich.  Sie wurden jedoch als Mitglieder der Heilsarmee erkannt und aus der Stadt verdrängt In Schlieren gelang es ihnen, den Estrich einer Hundedressuranstalt zu mieten. Am 28. Mai 1885 fand die erste Versammlung statt In der Neuen Zürcher Zeitung vom 1. Juni 1885 war ein Bericht über eine Versammlung in Schlieren zu lesen: ,,Da huscht ein kaum 16-jähriges Mädchen die Treppe empor und setzt sich in einen stillen Winkel; dann kommen wieder einige Vertreter der löblichen Schuljugend von Schlieren, von denen einer eine possierliche Fratze schneidet, so dass auf der Bank im Halbdunkel etwelches Kichern und Gemunkel entsteht. Bauernburschen und Arbeiter folgen; die einen sachte, mit entblösstem Haupte. Andere trampeln kräftig die Treppe hinauf und behalten den Hut auf dem Kopfe und die Zigarre im Munde, als trotzige Widersacher der Heilsarmee, die nötigenfalls ihr gut orthodoxes zwinglianisches Christentum mit den Fäusten verfechten möchten und den Eindruck eines disputier-süchtigen Geschlechtes machen. Auch finden sich noch einige Städter ein..."

Im Vergleich mit anderen Orten erwies sich Schlieren als ein ruhiges Arbeitsfeld, so ruhig, dass man bald Ausschau nach einem zweiten Versammlungslokal in der Nähe der Stadt Zürich hielt Die gut situierte Aussengemeinde Hottingen war gewillt, der Heilsarmee Gastrecht zu gewähren.

 

Die Polizei bekam es mit der Angst zu tun

Die Wirtschaft „Zum Grünenhof' in Hattingen vermietete den Saal im dritten Stock an die Heilsarmee. Die Tätigkeit wurde dort am 28. Juni 1885 aufgenommen. Am ersten Sonntagabend kamen 300 Personen. Die Belastung des Bodens war zu gross, er drohte zu bersten, sodass die Versammlungen in das grössere Tanzlokal verlegt werden mussten. Dort drängten sich trotz Bedenken des Wirts zwischen 600 und 1000 Personen hinein. Die Polizei erwirkte nun das Ver­bot, dass nicht mehr als 120 Personen an den Versammlungen der Heilsarmee teilnehmen dürften. Dies durchzusetzen, war für die Polizei eine harte Belastung, denn vor dem „Grünenhof" versammelten sich jeweils gegen 800 Personen. Radauszenen gab es fast täglich, sodass das Polizeiaufgebot im September 1885 von 8 unbewaffneten auf 24 Polizisten mit Gewehren verstärkt werden musste.

 

Versammlungsverbot in Hottingen

Der Regierungsrat beschloss am 12. August 1885, alle öffentlichen Veranstaltungen der Heilsarmee zu verbieten. Trotz­ dem fanden sich bis zu 250 Personen zu Versammlungen im „Grünenhof' ein. Diese Anlässe wurden jedoch empfindlich gestört, sodass am 24. September 1885 die Zürcher Polizeidirektion ein gänzliches Verbot der Heilsarmee-Versammlungen im "Grünenhof" erliess. Begründung: Die Versammlungen würden ganz im Komödianten-Stil geleitet, woraus negative Folgen entstünden und zudem sei man nicht willens oder imstande, Eindringlingen wirksamen Widerstand zu leisten.

 

"Eine Schande für Zürich"

So bezeichnete die Neue Zürcher Zeitung die Übergriffe des Pöbels. Der Satz «Die Glaubensfreiheit ist in der ganzen Eidgenossenschaft gewährleistet» gilt also für die Heilsarmee nicht.  Alle anderen Kirchen und Sekten lässt man ruhig gewähren, diese aber steht recht- und machtlos da."

 

Start in Aussersihl

Trotz der Verfolgungen setzte die Heilsarmee ihr Werk mit grossem Eifer fort. So liess sie nach dem Versammlungsverbot in Hattingen ihre Fühler nach anderen Vororten von Zürich ausstrecken. Am 19. Juli 1885 fand eine erste Versammlung im Lokal der „Freien Gemeinde" an der Zweierstrasse statt Bereits am 1. November 1885 konnte ein eigenes Lokal an der Dammstrasse 22 (nachher Dienerstrasse) eingeweiht werden, wo innerhalb eines halben Jahres 280 Personen neu zum Glauben an Gott kamen.

 

Randalierer liefen Amok

Am 7. Mai 1886 zog ein Pöbelhaufen vor das Lokal an der Dammstrasse, störte zunächst die Versammlung und liess sich schliesslich zu Tätlichkeiten verleiten. Türe und Fenster waren schon längst mit Steinen beworfen worden, als das Lokal gestürmt und das gesamte Mobiliar zerstört wurde. Glücklicherweise wurde niemand verletzt, weil die Versammlungsteilnehmer durch eine versteckte Hintertür verschwinden konnten.

 

Gründung der Heilsarmee Zürich Zentral

 

In der Stadt Zürich wurden am 1. November 1885 das Korps Zürich 2 an der Dammstrasse gegründet (nachher Dienerstrasse) und am 9. Oktober 1889 das Korps Zürich 3 an der Kurzgasse (vorher Zweierstrasse) gegründet. Beide Korps verfügten über ungefähr die gleichen niedrigen und düsteren Lokale in Hinterhäusern. Räumlich knapp ausreichend, entsprachen sie nicht den bescheidensten Ansprüchen. Für grössere Veranstaltungen fehlte zudem ein eigener Saal. So erstaunt es denn kaum, dass bald einmal weitsichtige Leute die Verschmelzung der beiden Korps zu einem Zentralkorps und den Bau eines grossen, auch für regionale Veranstaltungen ausreichenden Saales vorschlugen. Die Leiter und die Kameraden der beiden Korps gaben sich alle Mühe, um einen geeigneten Bauplatz ausfindig zu machen. Die Wahl fiel schliesslich auf die Wiese an der Ankerstrasse. In einer feierlichen Versammlung wurde der neue Saal am Juli 1928 durch die Leiterin der Heilsarmee Schweiz ein­ geweiht.

Der damalige Leiter des Musikkorps schrieb später dazu:

,,Als  Korps  Zürich  2 und  3  schlossen wir uns zusammen, schüchtern erst, wie Brautleute, die sich noch kennen und verstehen lernen müssen. So zogen wir in die neuerbaute Zentralhalle ein. Im gemeinsamen Kampf gegen die Sünde musste unser Baumeister Jesus Christus ebenso bei uns verschiedene „Renovationen" durchführen. Altes verschwand, Dunkles wurde durch das göttliche Licht helle. Gott verordnete uns nicht nur Kampf, er schenkte auch Sieg. Ja, lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan."